Sachwertverfahren - die Verkehrswertermittlung
Das Sachwertverfahren ist eines der drei Methoden zur Verkehrswertermittlung von Immobilien. Durch die Bestimmung des Sachwerts ist eine Annäherung an den realistischen Marktwert möglich. Doch wie läuft das Sachwertverfahren genau ab und wie berechne ich den Verkehrswert meiner Immobilie? Wir zeigen Ihnen, wie Sie den Marktwert für Ihre Immobilie ermitteln.
Inhalt dieser Seite:
1. Wie funktioniert das Sachwertverfahren?
Die Verkehrswertermittlung mit dem Sachwertverfahren ist eine äußerst komplexe Aufgabe, die eine Vielzahl an Schritten umfasst. Basis dieser Methode sind der Sachwert des Gebäudes und der Bodenwert (berechnet durch die Bodenrichtwerte).
Der Sachwert der baulichen und sonstigen Anlagen ergibt sich aus den Herstellungskosten unter Berücksichtigung der Alterswertminderung. Die Herstellungskosten entsprechenden Ausgaben, die der Hausbesitzer für die Wiederherstellung bzw. für einen fiktiven Neubau investieren müsste. Unter der Alterswertminderung versteht man den baulichen Zustand, d. h. den Renovierungsgrad, und das Alter der Immobilie. Bei einem Objekt älteren Baujahrs fällt dementsprechend der Substanzwert des Gebäudes niedriger aus als bei einem Neubau. Die Summe aus Sachwert der baulichen Anlagen und dem Bodenwert ergibt den vorläufigen Sachwert. Diesen Wert multipliziert der Gutachter für Immobilien im nächsten Schritt mit dem sogenannten Marktanpassungsfaktor. Diese Wertzahl berücksichtigt die Preisentwicklungen am lokalen Immobilienmarkt und nimmt so den wichtigen Faktor Lage in die Bewertung mit auf. Der Marktanpassungsfaktor ist bei den örtlichen Gutachterausschüssen erhältlich. Falls der jeweilige Gutachterausschuss keinen verwendbaren Sachwertfaktor herausgibt, ist gemäß § 191 Bewertungsgesetz die Anlage der Sachwertrichtlinie heranzuziehen.
Kurz und knapp: Beim Sachwertverfahren ergibt sich der Verkehrswert aus dem Gebäudesachwert zuzüglich dem Bodenwert, korrigiert durch den Marktanpassungsfaktor.
- (Gebäudesachwert + Bodenwert) x Marktanpassungsfaktor = Sachwert
Im darauffolgenden Schritt hat der Gutachter die Möglichkeit, den errechneten Sachwert auf der Grundlage objektspezifischer Merkmale anzupassen. Beispielsweise ist eine Anpassung denkbar, wenn es sich bei der Immobilie um ein einzigartiges denkmalgeschütztes Gebäude handelt. Solche und ähnliche wertbeeinflussende Eigenschaften korrigieren den Sachwert entweder nach oben oder nach unten. Nur ein erfahrener Immobiliengutachter weiß, welche Anpassungen möglich sind. Für das Sachwertverfahren ist die Berechnung online aus diesen Gründen nicht möglich.
2. Ein Beispiel für das Sachwertverfahren
Rechenschritt | Wert | Erläuterung zur Berechnung |
Regelherstellungskosten je Flächeneinheit | 1.400 Euro | Regelherstellungskosten richten sich nach Gebäudeart, Baujahr, Ausstattung und Gebäudeausbau |
Bruttogrundfläche | 150 m² | |
Herstellungskosten | 210.000 Euro | Regelherstellungskosten x Bruttogrundfläche |
Alterswertminderung | - 35.000 Euro | Lineare Wertminderung über die Gesamtnutzdauer der Immobilie |
Gebäudesachwert | 175.000 Euro | Gebäudeherstellungskosten abzüglich Alterswertminderung |
Bodenrichtwert pro Quadratmeter | 250 Euro | Bodenrichtwerte lassen sich beim Gutachterausschuss der Gemeinde anfragen |
Fläche des Grundstücks | 800 m² | |
Bodenwert | 200.000 Euro | Bodenrichtwert x Grundstücksfläche |
Vorläufiger Sachwert | 375.000 Euro | Gebäudesachwert + Bodenwert |
Marktanpassungsfaktor | x 0,9 | aus der Anlage 25 des BewG |
Sachwert (Verkehrswert) | 337.500 Euro | Vorläufiger Sachwert x Wertzahl |
Erläuterung zu den einzelnen Rechengrößen
- Bodenwert: Bei der Berechnung des Bodenwerts geht der Gutachter von einem unbebauten Grundstück aus. Die Bodenrichtwerte werden auf der Grundlage der Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse ermittelt.
- Regelherstellungskosten: Für die Baukosten nimmt man die Normalherstellungskosten (NHK) oder die gewöhnlichen Herstellungskosten an. Diese lassen sich der Tabelle Normalherstellungskosten 2010 (NHK 2010) entnehmen.
- Alterswertminderung: Die Alterswertminderung hängt von der Restnutzungsdauer und dem Alter der Immobilie ab. Für Ein- und Zweifamilienhäuser sind im Jahr 1,25 Prozent Wertminderung anzusetzen, was einer Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren entspricht.
- Marktanpassungsfaktor: Der Marktanpassungsfaktor ist eine wichtige Rechengröße für die Ermittlung des Sachwertes und passt den vorläufigen Sachwert an die Marktsituation an. Die Marktanpassungsfaktoren werden in Form von Wertzahlen von den Gutachterausschüssen herausgegeben.
3. Wann wird das Sachwertverfahren angewendet?
Das Sachwertverfahren empfiehlt sich vorrangig für selbst genutzte Immobilien, die keine dauerhaften Mieteinnahmen erzielen. Grundlage des Sachwertverfahrens sind die Herstellungskosten, also die Ausgaben, die der Eigentümer bei einer Wiederbeschaffung zahlen müsste.
Die Verkehrswertermittlung zur Bestimmung des Sachwerts kommt immer dann infrage, wenn das Ertragswertverfahren nicht anwendbar ist, weil sich keine ortsübliche Miete ermitteln lässt oder wenn das Vergleichswertverfahren mangels vergleichbarer Objekte nicht geeignet ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn auf dem lokalen Immobilienmarkt nur wenige Verkäufe stattgefunden haben. Oder wenn es sich bei der Immobilie um ein Objekt mit besonderen Merkmalen handelt, wie etwa eine Luxusimmobilie am See mit eigenem Bootssteg. Grundsätzlich ist die Wertermittlung mithilfe des Sachwertverfahrens für folgende Objekte geeignet:
- Ein- und Zweifamilienhäuser
- Eigentumswohnungen
- gemischt genutzte Grundstücke
- Geschäftsgrundstücke
Ein weiterer Anwendungsfall des Sachwertverfahrens ist die Erhebung der Grundsteuer. Der Einheitswert ist durch das Sachwertverfahren zu ermitteln, wenn die Immobilie besondere Eigenschaften hat. Dies ist beispielsweise bei Luxusobjekten der Fall.
Sachwertverfahren für Immobilien bei Schenkung und Erbfall
Das Sachwertverfahren kommt häufig zum Einsatz, wenn eine Immobilie aufgrund einer Schenkung oder einer Erbschaft den Besitzer wechselt. Gesetzlich ist nach § 182 (4) BewG vorgeschrieben, dass der Sachwert zu bestimmen ist, wenn keine ausreichende Datenlage für das Vergleichswertverfahren besteht. In diesen Fällen ist es dem Finanzamt möglich, den Wert der Immobilie mithilfe des Sachwertverfahrens für steuerliche Zwecke zu ermitteln. Daraus ergibt sich die Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer.
4. Welche Gesetzesgrundlage gibt es für das Sachwertverfahren?
Wie das Sachwertverfahren im Einzelnen anzuwenden ist, findet sich in
- den §§ 21 – 23 ImmoWertV,
- der Sachwertrichtlinie und
- den §§ 83 – 90 sowie §§ 189 – 191 BewG (Bewertungsgesetz).
5. Welche Bedeutung hat die ImmoWertV?
Die ImmoWertV (kurz für Immobilienwertermittlungsverordnung) enthält die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken. Wobei Grundstück hier ein dehnbarer Begriff ist, der sich auf bebaute Grundstücke, Bauerwartungsland, Rohbauland, baureifes Land sowie Flächen der Land- und Forstwirtschaft bezieht. In der ImmoWertV ist genau festgelegt, wie die einzelnen Komponenten beim Sachwertverfahren zu ermitteln sind. Damit ist die ImmoWertV das Standardwerk für Immobiliengutachter.
6. Welche weiteren Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien gibt es?
Für die Verkehrswertermittlung existieren verschiedene Bewertungsmethoden und -ansätze. Welche Methode am besten geeignet ist, richtet sich vor allem nach der Art der Immobilie und der Nutzung sowie dem Zweck des Gutachtens. Neben dem Sachwertverfahren bieten sich die folgenden Methoden zur Ermittlung des Verkehrswerts einer Immobilie an:
- Das Ertragswertverfahren eignet sich für vermietete Immobilien, also solche Objekte, die dauerhaft Erträge generieren. Bei dieser Methode stehen die marktüblich erzielbaren Erträge im Mittelpunkt der Bewertung.
- Das Vergleichswertverfahren sucht sich ähnliche Objekte und leitet aus den Vergleichspreisen den Verkehrswert für das Bewertungsobjekt ab.
Das Sachwertverfahren nimmt gegenüber diesen beiden Methoden einen geringeren Stellenwert ein bzw. dient zur Plausibilitätsprüfung. In einigen Fällen bietet das Sachwertverfahren aber entscheidende Vorzüge, wie die folgende Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile zeigt:
Vorteile des Sachwertverfahrens | Nachteile des Sachwertverfahrens |
Das Sachwertverfahren ermöglicht als einziges Verfahren die Verkehrswertermittlung für besondere Immobilien, für die keine vergleichbaren Objekte auf dem Markt vorhanden sind. Dazu gehören beispielsweise Fabriken und öffentlich genutzte Gebäude wie Schulen und Sporthallen. | Der Sachwert eignet sich nur bedingt für die Bestimmung des Marktwerts, da der Marktanpassungsfaktor das Marktgeschehen auf dem Immobilienmarkt nur unzureichend berücksichtigt |
Der Sachwert stützt sich auf die Herstellungskosten, die aktuell gültig sind, und entspricht daher dem realen Verkehrswert der Bausubstanz. | Die Bewertung der Bausubstanz ist aufwendig und erfordert ein hohes Maß an Fachkenntnis und Erfahrung vom Immobiliengutachter. Daher ist dieses Bewertungsverfahren fehleranfälliger. |
Das Sachwertverfahren eignet sich als Bewertungsmethode für steuerliche Zwecke, wenn ein Vergleich mit ähnlichen Immobilien nicht anwendbar ist. | Für Gebäude neueren Baujahrs sind oftmals nicht genügend Daten verfügbar, weshalb das Sachwertverfahren sich in vielen Fällen nicht für die Bewertung von modernen Passivhäusern eignet. |
Nur zum Teil ermöglicht das Sachwertverfahren eine zuverlässige Aussage über den Verkehrswert Ihrer Immobilie, da der Immobilienwert in erster Linie durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Da das Sachwertverfahren sehr kompliziert ist, richtet sich das Ergebnis auch wesentlich nach der Erfahrung und der Kompetenz des Gutachters. Nur ein versierter Sachverständiger für Immobilienbewertung ist in der Lage, den Sachwert richtig zu bestimmen.